Juni

9

ANNETTE

Um 4 Uhr in der Früh war der Wind endlich stabil genug um das Segel zu setzen.
Mit erstem Blick auf Manihi stellte Martin den Motor ab und durchschnittlich 4 Kn brachten uns unserem Ziel näher.

Bis zum Sonnenaufgang zählte ich 5 Sternschnuppen, die über dem Atoll herabfielen. Sie schienen uns willkommen zu heißen! Als ich um 6 Uhr die Schicht an Markus abgab, waren wir bereits kurz vor der Einfahrt ins Atoll. Doch verhinderte ein weiterer Regenschauer und die Strömungen des Meeres ein sicheres Einlaufen. Daher lenkte Martin uns zurück auf See, damit wir bei besseren Bedingungen etwas später wieder zurückkehren konnten.

Das nördlichste Atoll der Tuamotus war auch bekannt als „das Atoll am Ende der Welt“. Nun standen wir vor den Toren dieses abgelegenen Punktes und waren gespannt wie wir den Katamaran sicher durch diese Riff- und Inselwelt würden lenken können. Das Atoll sollte aus mehr als 100 Einzelinselchen bestehen, welche zusammen nur 10 km² Landfläche hatten obwohl die große ovale Lagune mehr als 150 km² zu haben schien.

Manihi war außerdem durch die Perlenzucht zu einer Art Wohlstand gelangt, so dass die Bewohner ihr Atoll mittlerweile auch liebevoll „po´e rava“ nannten. Dies war der Name einer seltenen schwarzen Perle.

Gegen 7:30 Uhr entschied sich Martin erneut auf die Einfahrt des Atolls zuzusteuern. Das Segel wurde eingeholt und schon waren wir bei geringerer Strömung in den Toren von Manihi. Unweit des Ortes der Insel machten wir fest in einer geschützten Palmenbucht, indem wir an einer Mooring-Boje festmachten.

Nach detaillierter Anleitung von Martin funktionierte das Dreiergespann Markus/Chris/Felix tadellos. Während Markus sich die Boje an einem Haken zum Boot hoch holte, zog Felix geschickt das Seil hindurch, was Markus veranlasste Chris den Haken in die Hand zu drücken, welcher binnen Millisekunden von ihm weggelegt wurde, damit Markus auf Seite springen konnte und Felix frei Bahn hatte um auf dem Trampolin sofort mit dem Befestigen durchstartete.
Zack, zack, zack, … die Jungs hatten abgeliefert! Das alles wurde mit einem gemütlichen Frühstück belohnt.

Martin hatte im Vorfeld bereits Kontakt mit einem Bewohner Manihis, da auf einer kleinen Insel des Atolls eine der 18 weltweiten Stationen der SailMail Association war.
Der dort verantwortliche Xavier hatte von Martin über Kurzwellen email erhalten, die er entsprechend weitergeleitet hatte. Dieser Service steht den Seemännern heutzutage zur Verfügung. Da uns die Abläufe sehr interessierten beschlossen wir kurzerhand Xavier auf seiner Insel zu besuchen, welchen wir auch nach wenigen Minuten erreicht hatten.

Der Franzose hieß uns herzlich willkommen! Mit 50 Jahren hatte er damals die Marine Frankreichs verlassen und sich mit seiner Frau die kleine Insel im Atoll erworben. Aufgrund seiner beruflichen Erfahrung war er in der Lage den kleinen Stützpunkt völlig autark zu betreiben. Bei einem intensiven Rundgang über seine Insel waren wir zugebenermaßen ziemlich verblüfft: nicht nur, dass wir die Kurzwellenstation mit dem gesamten Equipment in einem Bambusbungalow bestaunen durften, nein, Xavier bot uns noch eine Führung durch sein Privatreich. Er hatte sich mit seiner Frau und den Männern des Dorfes ein kleines Paradies geschaffen, indem er auch seinem Hobby als Maler nachgehen konnte. Viele seiner Gemälde schmückten sein riesiges Bambushaus, welches sich in einem gepflegten Palmengarten befand.

Eine absolute Besonderheit war seine eigens zum Meer hin gebaute Privat-Kapelle, in der die Madonna einen Ehrenplatz erhalten hatte.

Stete Begleiter auf unserem Inselrundgang waren zwei mehr als nur wohlerzogene aber noch verspielte Hundewelpen: black & white… hießen beide ganz treffend. Für die wirklich sehr interessante Zeit bedankten wir uns bei Xavier mit einem kleinen Geschenk. Er erhielt zur Erinnerung an unseren Besuch ein VAVA-U T-Shirt bevor wir uns zum nächsten Tagespunkt aufmachten.

Natürlich wollten wir auch den kleinen Ort der Insel sehen, so dass wir mit dem Dinghy im äußerst klaren Hafenwasserbecken anlegten. Begrüßt von Kinder und Frauen sahen wir uns ein wenig um. Da Samstag war, hatte leider das Post-Office als auch der Bäcker zu. Das eine hätten wir benötigt um Wifi zu haben, das andere um an Baguette zu kommen.

Doch wie sooft schon auf der Reise rollte eine riesige Hilfsbereitschaft auf uns zu: die Bäckerfamilie hatte noch zwei eingefrorene Baguettes. Als wir nachfragten was der Preis ist, winkten sie ab: die Baguettes waren ein Geschenk für uns! Wie toll! Für Begeisterung sorgte auch der Tanzunterricht der jungen Mädchen, die auf dem Vorplatz der Grundschule am Samstag Vormittag die traditionellen Tänze einübten. Zwei korpulentere Damen brachten ihnen die Rhythmen bei. Als die Mädchen nur steif mit den Hüften hin und her wippten, schritt die Lehrerin ein, winkte ab, stand auf, stellte sich in die Mitte und vollführte ein lockeres Hula, das sie dann auch von den Mädels verlangte.

Nur wenige Meter hinter uns schwammen im klaren Wasser Haie und Papageienfische vorbei, die uns lockten zum Schnorcheln aufzubrechen.
Eine Besonderheit von Manihi war, dass zu gewissen Tageszeiten ein Strömungsschnorcheln in der Atoll-Einfahrt möglich war. Da das Wasser in das Atoll hineingezogen wurde, konnte man sich im Kanal absetzen und in die Atoll-Fläche treiben lassen während man die Unterwasserwelt bestaunte. Dieses Spektakel vollzogen wir indem Martin uns mit dem Dinghy absetzte, immer dicht an uns dranblieb und uns bei Bedarf wieder zurück ins Boot zog. Das Meer war klar und blau wie niemals zuvor gesehen. Nicht nur in die Tiefe sondern auch in

die Weite konnten wir gefühlt ewig schauen. Somit genossen wir trotz der Geschwindigkeit der Strömung einen einzigartigen Rundumblick. Zweimal ging es so den Kanal entlang!

Im Anschluss daran gingen wir dem Tipp von Xavier nach, der uns einen Besuch der Blauen Lagune am anderen Ende des Atolls empfohlen hatte. Vor allem ein schönes Schnorchel-Revier versprachen wir uns hiervon. Hinwärts fuhren wir ungefähr 30 Minuten mit dem Dinghy an unzähligen Inseln des Atolls vorbei, Martin wich flachen Riffen aus und wir durchkreuzten auf der riesigen Wasserfläche auch eine Schlechtwetter-Front. Zwar bekamen wir nur wenig Regen ab, doch genug um diesen wie kleine Nadelstiche auf der Haut zu fühlen und ein wenig zu frösteln. Allerdings wurden wir auf der anderen Atoll-Seite mit Sonne, Palmen und Strand vor einer türkisen Bucht belohnt.

 

Die Ecke war sehr unberührt, so dass wir uns ein wenig wie kleine Entdecker fühlten. Dies hielten wir doch gleich mal mit einer Drohnenaufnahme fest, was vor allem Chris sehr freute! Auf dem schmalen Inselstreifen fanden wir dann zwischen den Palmen sogar einen kleinen See vor, der Markus sofort veranlasste auf die schräg wachsende Palme zu klettern.

Überall krabbelten Krebse in herrlich leuchtenden orange-roten Farbtönen und schwammen Meeresbewohner bis nah ans Ufer heran. Ein wenig schnorchelten wir auch um die Korallen der Bucht, doch war die Sicht leider nicht ganz so klar wie wir uns dies erhofft hatten. Haie, bunteste Fische und mein erster gesichteter riesiger Oktopus, der um unser Beiboot schwamm, machten den Platz zu etwas Besonderem.

Doch bevor die Wellen zu hoch wurden, traten wir den Rückweg an. Der dann all meine Kraft aufgrund des Wellenganges beanspruchte. Als leichtere Person auf dem vorderen Platz rüttelte es mich ganz schön durch! Und das nicht nur eine halbe Stunde lang wie auf dem Hinweg, sondern geschlagene 50 Minuten! Bei Ankunft an der VAVA-U waren meine beiden Arme gefühlt doppelt so lang… der Ritt übers Meer hatte uns aber alle gefordert. Dafür war jedoch der Genuss des frisch zubereitenden Salates samt Nudelauflauf nach dem Sonnenuntergang umso intensiver.

Juni

8

ANNETTE

Mit Rührei und frischem Baguette aus dem Dorf begann ein heißer Atoll-Tag für uns!

Bereits morgens hatten wir rundum strahlenden Sonnenschein, welcher unser Katamaran-Thermometer im Lauf des Tages auf bis zu 37° ansteigen ließ.
Ein wenig schnauften wir schon aufgrund dieser Südsee-Temperaturen. Allerdings machte das Planschen im Meer dafür nur umso mehr Spaß.

Wir schnorchelten über dem Riff vor dem Dorf und mussten dabei jedoch leider erleben, dass Rick (unser Perlen-Guide vom Vortag) Recht hatte: die Korallen waren weitestgehend abgestorben. Verwunderlich, dass überhaupt noch hübsche Fische im klaren Wasser unterwegs waren.

Nachdem wir bis zum frühen Nachmittag ausgiebig die absolute Stille von Takaroa genossen hatten, verließen wir um 16:30 Uhr das Atoll.
Martin lenkte die VAVA-U geschickt zwischen den Riffen und den Strömungsverläufen hindurch auf die ruhige See hinaus.

Wir konnten kaum glauben was wir außerhalb des Atolls vorfanden. Für unsere Nachtfahrt nach Manihi stand der pazifische Ozean schon fast still.
Kein Wind, keine Wellen! Was dazu führte, dass wir kein Segel setzen konnten und mit einer Geschwindigkeit von 4,5 Kn in den Sonnenuntergang hinein „motorten“.

Das war für mich ein absoluter Traum! Einmal wollte ich diese See ruhig erleben, sehen wie das sonst so aufgewühlte Meer stillstand.
Gemeinsam nahmen wir auf dem Trampolin sitzend Abschied von Takaroa und von einem sehr heißen Tag.

Markus, der uns noch einen phantastischen bayrischen Kartoffelsalat zu den Cordon Bleus zauberte, füllte unsere Mägen und so konnte sich jeder entspannt auf seine Schicht in der Nacht freuen. Bis auf einen Regenschauer gegen 23 Uhr verlief die Nacht so, dass wir ohne Segel Kurs auf Manihi nahmen.

Juni

7

ANETTE

In der Nacht legte der Wind noch einmal an Stärke zu, so dass Martin um Mitternacht das Segel verkleinerte. Alle zwei Stunden weckten wir ihn zum Schichtwechsel auf, damit er unseren Kurs und die Segelstellung kontrollieren konnte.

Um 5 Uhr morgens war es dann soweit: wir sahen Land! Am Kim war ein Licht zu sehen, das vermutlich vom Flughafen der Insel her leuchtete und man konnte das Brechen der Wellen am Riff des Atolls erkennen. So aufregend war das! Nach so vielen Stunden auf See wieder Land zu sehen, noch dazu im Sonnenaufgangslicht, ist mehr als nur eindrucksvoll gewesen. Wie ein Magnet zog es unsere Blicke an und so ging Martins Fernglas reihum, damit wir das flache lange Land, welches von der Ferne nur aus Sandstrand und Grünstreifen zu bestehen schien, bestaunen konnten. Aber auch ein großes Schiffswrack am Strand begeisterte uns durch seine Größe.

Als uns das Atoll seine Einlauf-Öffnung mit einem befestigten Inselabschnitt und einer kleinen sich dort erhebenden Kirche zeigte, holten wir um 7:15 Uhr das Segel ein. Nichts Schöneres hätte es an diesem Morgen geben können, als mit der Aussicht auf einen sommerlichen Atoll-Tag auf dem Deck des Katamarans zu stehen und die Vorbereitungen für einen Landgang zu treffen. Vorerst ankerten wir vor der Einfahrt, richteten dabei das kleine Dinghy, in das Martin und Markus den Motor einhängten und stärkten uns mit einem ausgiebigen Frühstück im Schatten des Cockpits.

Im Anschluss daran erwies sich unser Kapitän Martin als hervorragender Katamaran-Arzt! Denn mit äußerster Perfektion entfernte er Chris seine 15 Fäden vom Nähen, die er sich bei einer Verletzung auf Moorea an seiner linken Hand eingefangen hatte. Martin bewies eine extrem ruhige Hand, so dass wir uns auch medizinischer-seits in absolut zuverlässiger Hand wussten.

Direkt danach winkten wir einen Einheimischen herbei, der gerade mit seinem kleinen Boot an unserem Katamaran vorbeizog. Mit unserem überschaubaren französischen Wortschatz fragten wir ihn um Einlauferlaubnis bzw. auch um den besten Weg in das Atoll. Der nette Mann bat uns daraufhin einfach ihm nachzufahren! Schnell lichteten wir den Anker, so dass Martin die VAVA-U sicher zwischen den Riffen in das Atoll bringen konnte. Beim Einlaufen sahen wir die starke Strömung, die sich hier zum offenen Meer hin bildete. Begrüßt wurden wir von mehreren schnorchelnd abtauchenden Männern, die in ihrem Atoll „auf Jagd gingen“ – wir wollten uns später ansehen, was sie da taten. Vorerst waren wir an einem guten und sicheren Ankerplatz interessiert, der uns zudem eine phantastische Aussicht bot. Um 9:25 Uhr fanden wir dann in der Nähe des kleinen Dorfes an einem Riff unseren Platz.

 

Direkt danach ging es auch schon aufs Dinghy um zum kleinen Dorf der Insel zu kommen, dem Takaroa Village. Aus den Häusern der Bewohner klang Musik und überall begegneten wir wahnsinnig freundlichen Menschen, die uns als Besucher herzlich empfingen. In einem kleinen Shop bestellten wir uns Baguette für den nächsten Morgen und lernten schon wenig später die nette junge Ela kennen, die uns durch das Inseldorf führte. Ela war 20 Jahre alt und die Schreibkraft der Schule. Sie zeigte uns voller Stolz den Lieblingsort der Dorfbewohner: ein überdachtes offenes Gebäude, das über und über kunstvoll mit Muscheln geschmückt war, welche Gemälde an die Wand zauberten. Dort würden sich jeden Tag die Menschen versammeln. Ein paar Ecken weiter kamen wir dann auf die Idee die heimische Schule aufzusuchen, denn mit Ela war die Verständigung etwas holprig und wir waren auf der Suche nach mehr Informationen zur Insel. Der Lehrer der Insel sollte jedoch Englisch sprechen können. „Le Prof“ konnte uns dann von seinem Klassenzimmer aus hervorragend weiterhelfen. Von ihm erhielten wir Tipps zu Schnorchel-Spots, der Grünen Lagune und eventuellen Perlen-Züchtern.

Aber auch die Schule an sich war ein Erlebnis: die kleinen Schüler stellten uns sich vor und zeigten all ihre kindliche Begeisterung zu unserem Besuch! Auf dem Weg durch das Dorf kamen wir auch bei Frauen vorbei, die in ihrem Haus Souvenirs herstellten. Sie bastelten mit Muscheln Schmuck, nähten Roben und vieles mehr. Vorbei an den zwei hübschen Kirchen des Dorfes, nahmen wir wahr, dass einige Häuser leer standen. Die Menschen waren weggezogen.

Am Nachmittag folgten wir den Informationen des Dorflehrers indem wir mit unserem Dinghy zum Schnorchelplatz fuhren, der mitten im Atoll lag. An einer flacheren Sandbank mit Korallenfelsen ankerten wir um vom Boot aus ins Wasser zu hüpfen und die Unterwasserwelt zu entdecken. Vor allem Fähnchen-Falterfische umzingelten die Korallen, doch auch andere bunte Gesellen waren zu sehen. Allerdings waren sie schrecklich schreckhaft. Vielleicht lag dies daran, dass nur wenige Meter vorher die Insulaner mit Harpune auf Jagd gingen. Wir hatten auf dem Weg halt gemacht bei den Tauchern, die uns schon bei der Einfahrt zugewunken hatten. Gingen wir noch davon aus, dass es sich um Perlentaucher handelte, stellten wir bald fest, dass sie mit neuen großen Harpunen große hübsche Fische erbeutet hatten. Vielleicht hauten deshalb die Fische schneller vor uns ab als wir dies von anderen Tauch-Spots gewohnt waren.

 

Als wir alle wieder aufs Boot geklettert waren, ging es für uns weiter zur „Grünen Lagune“ des Atolls. Dieses lag atemberaubend still von einer riesigen Palmenbucht umgeben, die, wie wir beim Aussteigen aus dem Boot merkten, eine Badewanne hervorbrachte. Das Wasser war nicht nur warm, sondern heiß, was den unzähligen Seegurken zu gefallen schien. Martin brachte uns noch auf die Idee an diesem Sandstrand ein paar Kokosnüsse ins Boot zu werfen ?? Gesagt, getan! Und schon ging es mit der Ausbeute weiter.

 

Auf der anderen Atoll-Seite erhofften wir eine Perlen-Zucht besuchen zu können. So hielt Martin am ersten Häuschen, welches auf Stelzen ins Wasser gebaut war an, da wir dort einen Mann gesehen hatten von dem wir uns Auskunft wünschten. Als der nette Kerl auf meine Nachfrage hin uns völlig unerwartet auf sein Häuschen einlud um das Bearbeiten von Perlen zu sehen, konnten wir seine Aussage kaum glauben. Dieses Anlegen am ersten Häuschen des Atolls schien mehr als ein Zufall gewesen zu sein: es war ein Jackpot!

Zügig kletterten wir auf den Holzsteg, denn wir waren mit unserer Nachfrage auf die VAIMA River Pearl Farm gestoßen.
Drei Männer bearbeiteten die Austern, einer davon hieß „Rick“. Rick war mit einer Australierin verheiratet und konnte uns daher eine perfekte englischsprachige Führung geben. Wir sahen dabei zu wie die Austern in einem ersten Schritt mit einem Spachtel von Muschelbewüchsen befreit wurden und kurz danach ein wenig geöffnet wurden, um deren Eignung zur Aufzucht festzustellen. Geeignete wurden an den nächsten Mitarbeiter weitergereicht, die anderen ausgeschabt und für den Weiterverkauf an Chinesen hergerichtet. Die Chinesen waren scharf auf diese Art von Potenzmittel.

Im nächsten Zimmerchen der Hütte saß ein wahres Perlenbefruchtungs-Genie: wie in einem kleinen OP wurden die Austern von ihm nur einen Spalt weit geöffnet und mit ganz feinen Instrumenten eine kleine gelbe Perle aus dem Mississippi River in einen schleimigen Beutel injiziert. Diese kleine Perle würde in den folgenden eineinhalb Jahren zu einer prachtvollen schwarzen Perle umschlossen werden.
Um im Meer fest angebracht werden zu können, wurde die „befruchtete“ Auster mit einer Bohrmaschine am Rand durchlöchert und mit einem Faden an ein Gestell gehangen. Hochinteressiert stellten wir Frage um Frage und erfuhren damit das der Auster-Befruchter ca. 400 Stück pro Tag schaffte. Rick berichtete uns aber auch von einem rückläufigen Geschäft.
Die Verschmutzung der Meere hatte auch vor dem Atoll nicht Halt gemacht, so dass nur noch ein kleinerer Teil der Bucht klar genug war um hier einwandfreie Ware zu liefern. Dies hatte auch dazu geführt, das Menschen die Insel verlassen mussten um woanders Arbeit zu finden. Nun hatten wir auch die Erklärung weshalb so viele Häuser leer standen.

Anstatt um die 600 Menschen lebten nun nur noch ca. 500 im Dorf von Takaroa. Zum Abschied schenkte uns Rick noch zwei Hälften, die eigentlich für die Chinesen gedacht waren. Sie sollten nun das Boot schmücken.

Mit Kirchengeläut im Atoll gingen wir auf den Tuamotus zum Sonnenuntergang über. Wir waren uns alle einig: es war ein wundervoller Tag gewesen!

Juni

6

ANETTE

Unser zweiter Tag auf See war ein absoluter „Genuss-Segeltag“ bei einem angenehmen Sonnen-Wolken-Mix!

Zwischendurch glitten wir mit durchschnittlich 5 Kn übers Meer, so dass jeder ganz entspannt schlafen, lesen, Musik hören, die frischen Früchte essen oder ganz einfach, die Stille genießend, auf die Wellen schauen konnte.

Gemeinsam träumten wir uns mit den Südsee-Reiseführern in die Tuamotus hinein und bekamen dabei von Felix den Schwäbisch-Intensivkurs.

Nur all zu gerne nahmen wir „dahanne“, „hanoi“ und „haja“ in unseren Wortschatz auf.

Am frühen Abend versammelten wir uns zum Wolkenbilder-Raten nach einem bilderbuchmäßigen Sonnenuntergang. Neben Pferdeköpfen, Elefanten und Simpson-Figuren taten sich noch viele weitere vergängliche Gebilde vor uns auf.

 

Wir bestaunten die Venus, die hinzukommenden Sternenbilder und gingen hoffnungsvoll in unsere vermutlich letzte Nacht auf See, denn wir wollten am kommenden Morgen am Atoll von Takaroa eintreffen.

Juni

5

ANNETTE

Um 4 Uhr in der früh löste ich Chris von der Wache ab und übernahm zur Sonnenaufgangsschicht bis um 6 Uhr. Es war mein erster Tagesbeginn auf See, eine absolute Premiere!

Schon ab 5 Uhr sah ich am Horizont hinter mir, dass die Dunkelheit mehr und mehr verschwand und sich die Sonne zu uns auf den Weg zu machen schien. Während um mich herum alle endlich Schlaf gefunden hatten, durfte ich ein Farbenspiel beobachten, dass den Himmel in zartes gelb, grün und hellblau tauchte. Die zarten Wölkchen am Himmel wurden dabei in ein rosa Licht versetzt, dass ich schon gar nicht mehr genau wusste wo ich zuerst hinschauen konnte. Ringsum das Wasser, kein Land in Sicht und das stete Wiegen der Wellen. Ziemlich zeitgleich hierzu sprangen rechts von mir zwei fliegende Fische weit über das Meer. Genau für solche Momente waren wir alle hier! Mehr als nur zufrieden gab ich die Wache an Markus ab, um nun ebenfalls meine Augen wieder schließen zu können.

So verlief dann unser erster richtiger Tag auf See. Jeder schlief wann er konnte um fit für die Schicht zu sein und genoss währenddessen den Blick aufs Meer. Konstant trieb uns der Wind mit 7-10 Kn voran, so dass wir um 14 Uhr, als unsere ersten 24 Stunden vorüber waren, bereits 190 sm zurückgelegt hatten. Normalerweise schien man das „Etmal“, also die Anzahl der Seemeilen innerhalb von 24 Stunden, von 12 bis 12 Uhr zu berechnen, wir zählten jedoch ab unserer Abfahrtszeit in Tahuata, also von 14 bis 14 Uhr.

Ein absolut sonniger Nachmittag suchte sein Finale in einem grandiosen Sonnenuntergang, den Chris und ich Seite an Seite auf der weichen weißen Liegematte an Steuerbord genossen.

Derart viele friedliche Momente reihten sich im Wippen der Wellen aneinander, so dass wir sehr entspannt in unsere zweite Nacht auf See gingen, welche sich ebenfalls so ruhig und konstant fortsetzte wie der Tag. Diesmal hielt ich Wache zur Mondaufgangsschicht und sah mit unglaublich viel Ehrfurcht dem halbroten Feuerball zu, der wie eine riesige im Himmel hängende Schale in Erscheinung trat, wie er begann die Nacht zu erhellen. Aber auch die See strotzte in Dunklen nur so vor Schönheit!
Das von uns verwirbelte Wasser perlte immer wieder in neonblauen Farbtönen, denn die Reibung brachte den fluoreszierenden Plankton zum Leuchten.