Jun

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ANNETTE

Um 4 Uhr in der Früh war der Wind endlich stabil genug um das Segel zu setzen.
Mit erstem Blick auf Manihi stellte Martin den Motor ab und durchschnittlich 4 Kn brachten uns unserem Ziel näher.

Bis zum Sonnenaufgang zählte ich 5 Sternschnuppen, die über dem Atoll herabfielen. Sie schienen uns willkommen zu heißen! Als ich um 6 Uhr die Schicht an Markus abgab, waren wir bereits kurz vor der Einfahrt ins Atoll. Doch verhinderte ein weiterer Regenschauer und die Strömungen des Meeres ein sicheres Einlaufen. Daher lenkte Martin uns zurück auf See, damit wir bei besseren Bedingungen etwas später wieder zurückkehren konnten.

Das nördlichste Atoll der Tuamotus war auch bekannt als „das Atoll am Ende der Welt“. Nun standen wir vor den Toren dieses abgelegenen Punktes und waren gespannt wie wir den Katamaran sicher durch diese Riff- und Inselwelt würden lenken können. Das Atoll sollte aus mehr als 100 Einzelinselchen bestehen, welche zusammen nur 10 km² Landfläche hatten obwohl die große ovale Lagune mehr als 150 km² zu haben schien.

Manihi war außerdem durch die Perlenzucht zu einer Art Wohlstand gelangt, so dass die Bewohner ihr Atoll mittlerweile auch liebevoll „po´e rava“ nannten. Dies war der Name einer seltenen schwarzen Perle.

Gegen 7:30 Uhr entschied sich Martin erneut auf die Einfahrt des Atolls zuzusteuern. Das Segel wurde eingeholt und schon waren wir bei geringerer Strömung in den Toren von Manihi. Unweit des Ortes der Insel machten wir fest in einer geschützten Palmenbucht, indem wir an einer Mooring-Boje festmachten.

Nach detaillierter Anleitung von Martin funktionierte das Dreiergespann Markus/Chris/Felix tadellos. Während Markus sich die Boje an einem Haken zum Boot hoch holte, zog Felix geschickt das Seil hindurch, was Markus veranlasste Chris den Haken in die Hand zu drücken, welcher binnen Millisekunden von ihm weggelegt wurde, damit Markus auf Seite springen konnte und Felix frei Bahn hatte um auf dem Trampolin sofort mit dem Befestigen durchstartete.
Zack, zack, zack, … die Jungs hatten abgeliefert! Das alles wurde mit einem gemütlichen Frühstück belohnt.

Martin hatte im Vorfeld bereits Kontakt mit einem Bewohner Manihis, da auf einer kleinen Insel des Atolls eine der 18 weltweiten Stationen der SailMail Association war.
Der dort verantwortliche Xavier hatte von Martin über Kurzwellen email erhalten, die er entsprechend weitergeleitet hatte. Dieser Service steht den Seemännern heutzutage zur Verfügung. Da uns die Abläufe sehr interessierten beschlossen wir kurzerhand Xavier auf seiner Insel zu besuchen, welchen wir auch nach wenigen Minuten erreicht hatten.

Der Franzose hieß uns herzlich willkommen! Mit 50 Jahren hatte er damals die Marine Frankreichs verlassen und sich mit seiner Frau die kleine Insel im Atoll erworben. Aufgrund seiner beruflichen Erfahrung war er in der Lage den kleinen Stützpunkt völlig autark zu betreiben. Bei einem intensiven Rundgang über seine Insel waren wir zugebenermaßen ziemlich verblüfft: nicht nur, dass wir die Kurzwellenstation mit dem gesamten Equipment in einem Bambusbungalow bestaunen durften, nein, Xavier bot uns noch eine Führung durch sein Privatreich. Er hatte sich mit seiner Frau und den Männern des Dorfes ein kleines Paradies geschaffen, indem er auch seinem Hobby als Maler nachgehen konnte. Viele seiner Gemälde schmückten sein riesiges Bambushaus, welches sich in einem gepflegten Palmengarten befand.

Eine absolute Besonderheit war seine eigens zum Meer hin gebaute Privat-Kapelle, in der die Madonna einen Ehrenplatz erhalten hatte.

Stete Begleiter auf unserem Inselrundgang waren zwei mehr als nur wohlerzogene aber noch verspielte Hundewelpen: black & white… hießen beide ganz treffend. Für die wirklich sehr interessante Zeit bedankten wir uns bei Xavier mit einem kleinen Geschenk. Er erhielt zur Erinnerung an unseren Besuch ein VAVA-U T-Shirt bevor wir uns zum nächsten Tagespunkt aufmachten.

Natürlich wollten wir auch den kleinen Ort der Insel sehen, so dass wir mit dem Dinghy im äußerst klaren Hafenwasserbecken anlegten. Begrüßt von Kinder und Frauen sahen wir uns ein wenig um. Da Samstag war, hatte leider das Post-Office als auch der Bäcker zu. Das eine hätten wir benötigt um Wifi zu haben, das andere um an Baguette zu kommen.

Doch wie sooft schon auf der Reise rollte eine riesige Hilfsbereitschaft auf uns zu: die Bäckerfamilie hatte noch zwei eingefrorene Baguettes. Als wir nachfragten was der Preis ist, winkten sie ab: die Baguettes waren ein Geschenk für uns! Wie toll! Für Begeisterung sorgte auch der Tanzunterricht der jungen Mädchen, die auf dem Vorplatz der Grundschule am Samstag Vormittag die traditionellen Tänze einübten. Zwei korpulentere Damen brachten ihnen die Rhythmen bei. Als die Mädchen nur steif mit den Hüften hin und her wippten, schritt die Lehrerin ein, winkte ab, stand auf, stellte sich in die Mitte und vollführte ein lockeres Hula, das sie dann auch von den Mädels verlangte.

Nur wenige Meter hinter uns schwammen im klaren Wasser Haie und Papageienfische vorbei, die uns lockten zum Schnorcheln aufzubrechen.
Eine Besonderheit von Manihi war, dass zu gewissen Tageszeiten ein Strömungsschnorcheln in der Atoll-Einfahrt möglich war. Da das Wasser in das Atoll hineingezogen wurde, konnte man sich im Kanal absetzen und in die Atoll-Fläche treiben lassen während man die Unterwasserwelt bestaunte. Dieses Spektakel vollzogen wir indem Martin uns mit dem Dinghy absetzte, immer dicht an uns dranblieb und uns bei Bedarf wieder zurück ins Boot zog. Das Meer war klar und blau wie niemals zuvor gesehen. Nicht nur in die Tiefe sondern auch in

die Weite konnten wir gefühlt ewig schauen. Somit genossen wir trotz der Geschwindigkeit der Strömung einen einzigartigen Rundumblick. Zweimal ging es so den Kanal entlang!

Im Anschluss daran gingen wir dem Tipp von Xavier nach, der uns einen Besuch der Blauen Lagune am anderen Ende des Atolls empfohlen hatte. Vor allem ein schönes Schnorchel-Revier versprachen wir uns hiervon. Hinwärts fuhren wir ungefähr 30 Minuten mit dem Dinghy an unzähligen Inseln des Atolls vorbei, Martin wich flachen Riffen aus und wir durchkreuzten auf der riesigen Wasserfläche auch eine Schlechtwetter-Front. Zwar bekamen wir nur wenig Regen ab, doch genug um diesen wie kleine Nadelstiche auf der Haut zu fühlen und ein wenig zu frösteln. Allerdings wurden wir auf der anderen Atoll-Seite mit Sonne, Palmen und Strand vor einer türkisen Bucht belohnt.

 

Die Ecke war sehr unberührt, so dass wir uns ein wenig wie kleine Entdecker fühlten. Dies hielten wir doch gleich mal mit einer Drohnenaufnahme fest, was vor allem Chris sehr freute! Auf dem schmalen Inselstreifen fanden wir dann zwischen den Palmen sogar einen kleinen See vor, der Markus sofort veranlasste auf die schräg wachsende Palme zu klettern.

Überall krabbelten Krebse in herrlich leuchtenden orange-roten Farbtönen und schwammen Meeresbewohner bis nah ans Ufer heran. Ein wenig schnorchelten wir auch um die Korallen der Bucht, doch war die Sicht leider nicht ganz so klar wie wir uns dies erhofft hatten. Haie, bunteste Fische und mein erster gesichteter riesiger Oktopus, der um unser Beiboot schwamm, machten den Platz zu etwas Besonderem.

Doch bevor die Wellen zu hoch wurden, traten wir den Rückweg an. Der dann all meine Kraft aufgrund des Wellenganges beanspruchte. Als leichtere Person auf dem vorderen Platz rüttelte es mich ganz schön durch! Und das nicht nur eine halbe Stunde lang wie auf dem Hinweg, sondern geschlagene 50 Minuten! Bei Ankunft an der VAVA-U waren meine beiden Arme gefühlt doppelt so lang… der Ritt übers Meer hatte uns aber alle gefordert. Dafür war jedoch der Genuss des frisch zubereitenden Salates samt Nudelauflauf nach dem Sonnenuntergang umso intensiver.