Jun

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ANNETTE

Morgens vom Wind geweckt zu werden, der durch die Luke über dem Nachtlager hereinwehte, war sagenhaft schön. Es ließ mich schon ein wenig schmunzeln vom Bett aus nach oben blickend die Deutschland- und Bayern-Flagge am Mast im morgendlichen Wind wehen zu sehen. Es war eine tolle erste Nacht gewesen, da die VAVA-U uns langsam in den Schlaf gewankt hatte.
Begeistert nun an der gemütlichen großzügigen Sitzecke im Cockpit frühstücken zu dürfen und dabei auf die Bucht Tahuatas zu sehen, lockte uns schnell aus unserer Kabine heraus. Aufgrund der eingekauften Leckereien speisten wir fürstlich und waren somit fit für unseren Ausflug in die Baie de Vaitahu.

Für unseren großen Trip fehlten uns noch ausreichend Obst-Vorräte für die kommenden Tage. Da wir diese in einer der Nachbarbuchten im Ort Vaitahu zu glauben fanden, fuhren wir zu fünft mit dem Dinghy übers Wasser. Während Martin dort seinen organisatorischen Arbeiten in einem Wifi-Lokal nachging, versuchten wir auf der Insel Obst zu organisieren. Schnell wurde klar, dass nur ganz wenige Menschen auf der Insel Englisch sprachen. Somit musste ich mit meinen wenigen Brocken Französisch versuchen ein paar Kontakte zu knüpfen, denn einen „Einkaufsladen“, wie wir ihn hierfür kannten, gab es dort nicht.

Am Dorfplatz hatten sich ein paar Einheimische versammelt, auf die wir nun hilfesuchend zugingen. Wir erklärten, dass wir für die kommenden Tage auf See Bananen, Mangos, Papayas, Sternenfrüchte und Limonen suchten. Dies führte schließlich dazu, dass wir zu viert in den Pick-up eines Inselbewohners einstiegen, der uns weiterhelfen sollte. Gemeinsam fuhren wir ein paar Serpentinen des Dorfes hinauf bis zu seinem einfachen Häuschen, welches von Obstbäumen umgeben war. Etwas irritiert schauten wir jedoch allesamt, als der „Farmer“ uns seine Pflückhilfen an Holzstäben gebunden in die Hand drückte anstatt uns das Obst einfach in den Pick-up zu packen. Er wiederum schien sich zu wundern warum wir uns nicht einfach holten was wir wollten. Irgendwie versuchte ich ihm zu erklären, dass wir weder das Aussehen der Bäume noch den Reifegrad der Früchte erkannten und uns damit schwer zu würden selbst zu wählen. Die Botschaft kam jedoch nicht an. Somit mussten wir uns selbst durch seine Farm wühlen bis wir das ein oder andere Essbare für uns erkannten. Das aufwändigste waren seltsamerweise die Bananenstauten, denn vieles war bereits abgeerntet.

 

Auf mehreren umliegenden Grundstücken gingen wir auf Suche und wurden dabei sogar gefragt ob wir Whiskey auf unserem Boot als Tauschmittel dabeihätten. Auch stolperten wir bei unserer Ernte auch über zwei Schweine, die zwischen den Obstbäumen ihren Freilauf hatten. Irgendwann gelang es uns Bananen reif und grün, Papayas, Limonen und einen ganzen Sack voller Pampelmuse zusammenzutragen. Das stellte uns schon einmal zufrieden. Dennoch waren wir überglücklich, dass wir an einem entfernteren Baum auch noch einige Sternenfrüchte entdeckten. Mit dieser Ernte machten wir uns zurück an den Hafen, wo Martin auf uns wartete und wir dem Lokalbesitzer auch noch eine Tüte voller Orangen abkauften. Alle miteinander nutzten wir noch eine letzte Möglichkeit um Wifi zu bekommen, bevor wir uns zurück zur VAVA-U aufmachten. Das Reisefieber hatte uns gepackt, wir wollten so schnell wie möglich los.

Um 12 Uhr waren wir wieder in unserer Bucht, verstauten die Einkäufe, machten alles abreisefertig, was auch bedeutete, dass letzte Säuberungen am Katamaran unter Wasser vorgenommen werden mussten. Als Alles seetauglich und die Luken verschlossen waren, liefen wir um 13:37 Uhr aus.
Erst wollten die Winde um die Insel herum uns nicht so richtig in Fahrt kommen lassen, doch als wir weit genug vom Land entfernt waren, erreichten wir im Schnitt ca. 8-9 Kn.

Als Neuhinzugekommene erhielten Chris und ich unsere Sicherheitsunterweisung und wurden wie Felix und Markus auch in den Schichtplan eingeteilt, der uns helfen sollte in den nächsten vier Tagen sicher in den Tuamotus anzukommen. Alle zwei Stunden wollten wir uns ablösen um Wache zu halten.

Gegen Abend hin bekamen wir dann richtig Schub: mit Windstärken bis zu 22 Kn, was in etwa Windstärke 5 zu entsprechen schien, wurde die VAVA-U auf bis zu 10 bis 11 Kn beschleunigt. Gerade für uns, als Neuzugestiegene, war dies wie von Null auf Hundert! Somit konnte auch der eindrucksvollste Sonnenuntergang nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir mit aufkommender Übelkeit im Dunklen zu kämpfen hatten. Dazu klatschten und donnerten die Wellen mit von mir nie gehörter Lautstärke an den Katamaran.

Aber auch der Rest an Bord entschied sich in dieser Nacht nicht in der Kabine zu bleiben. Jeder suchte sich einen gemütlichen Platz im Cockpit oder im Salon, um zwischen den Wachen in eine Art Dämmerungszustand zu fallen. Da der Mond sich erst gegen Mitternacht zeigte, fuhren wir von 20 Uhr ab in die absolute Finsternis hinein. Dies war dann auch der Beginn meiner Schicht: von 20 bis 22 Uhr ließ ich mich abwechselnd auf der Steuerbord- und Backbord-Seite auf den weißen Sitzen nieder und hielt Ausschau ob sich an der Kim Lichter zeigten.

Martin hatte uns zu Beginn viel erklärt, wir lernten das der Horizont Kim hieß, dass man Sterne erst eine handbreit über der Kim wahrnahm und wir uns daher vor allem auf diesen Streifen konzentrieren sollten. Andere Boote würden wir in diesem dunklen Streifen an ihren rot, weiß oder grünen Leuchten erkennen. Die erste Nacht war aufregend! Keiner schlief wirklich tief, sondern war auf abenteuerliche Art und Weise mit sich selbst beschäftigt. Entschädigt wurden wir von einem sagenhaft detailreichen Sternenhimmel und einem leuchtenden hellen Mond zur Mitternachtszeit, der das dunkle Meer zum Glitzern brachte.