Jun

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ANNETTE

Am Morgen vor Chris Tauchgang hingen dichte Regenwolken in den Bergen Mooreas. Irgendwie schafften sie es jedoch nahe an den Gipfeln zu bleiben und unseren Ankerplatz weitestgehend zu verschonen. So konnten wir dennoch mit Blick auf das sonnige Meer frühstücken und dann in unseren ersten richtigen Moorea-Tag auf der VAVA-U starten. Martin fuhr Chris um viertel nach sieben zur Tauchbasis, denn um 8 Uhr sollte sein Tauchgang am Außenriff stattfinden.

Markus und Felix war in den frühen Morgenstunden noch nicht nach schnorcheln, so dass sie mit mir an Bord blieben. Da ich meine magischen Momente am Schnorchel-Platz der Rochen und Hai ja schon drei Wochen früher mit Chris gemeinsam erlebt hatte, ging Martin somit alleine zur besagten Stelle, welche wir am Vortag gezeigt hatten. Die Ruhe an unserem Ankerplatz genoss ich an diesem Morgen sehr! Ich hoffte dies für einige Stunden erleben zu dürfen: so hatte ich nur Ohren für das sanfte Schwappen des Wassers an den Katamaran, das luftige Wehen des Windes und den Nieselregen, der ab und an auf uns fiel.

Kein Komponist hätte sich das wundervoller ausdenken können! Leider hielt die Ruhe nicht sehr lange! Denn plötzlich schrie der nette Schweizer vom Ankerplatz nebenan Alarm! Soeben noch gemütlich auf der Cockpit-Eckbank sitzend, war ich im nächsten Moment blitzschnell nach oben geschnellt. Es war wahr geworden was sich beim Frühstück bereits angekündigt hatte. Der ebenfalls weiß-grüne Katamaran hatte uns informiert seine Ankerkette verändern zu wollen, da sich die Boote scheinbar nähergekommen waren.

Martin brachte Chris wie geplant zu seinem Tauchgang und überließ die Veränderung den Schweizern. Nachdem unser Kapitän von Bord gegangen war, hatte sich scheinbar irgendetwas an der Situation verändert, was zur Folge hatte, dass die Ankerkette vom Nachbar-Martin (so hieß er wirklich) nun unter unserem Boot verlief. Jedenfalls steuerte sein Katamaran nun mit Wind im Rücken direkt auf die Steuerbord-Seite der VAVA-U zu. „Felix!“ schrie ich nur noch, der sofort mit mir am Heck des Katamarans stand und mit beiden Armen und voller Kraft begann das Boot des Schweizers auf Abstand zu bringen. Als wir binnen der nächsten Sekunden realisierten, dass es sich hier um eine größere Aktion handeln würde, rief ich lautstark Markus heran, der sofort aus seiner Koje herausgerannt kam. „Hol die Fender!“ kam mir ganz spontan von den Lippen, denn lange würden Felix und ich den Katamaran nicht mehr weit genug entfernt halten können. Markus hechtete zur Luke an Deck und holte heran was er konnte. Kaum hatte Markus uns den ersten Fender gebracht, mussten wir ihn auch schon zum Einsatz bringen. Die Steuerbord-Front des anderen Katamarans nahm mit Kraft immer wieder Kurs auf unser Heck. Ob wir das Boot bewegen könnten, fragte uns der Schweizer…nein, wir waren ja nur Gäste! Seine Frau hielt von oben den dicken runden Fender und wir schützten mit Armeskraft und Fender von der VAVA-U aus. Der andere Martin tat mit seiner Frau währenddessen einen richtigen Kraftakt. Er war mittlerweile in sein Dinghy gestiegen, um seinen Katamaran gefahren, um sich mit dem Dinghy zwischen die beiden großen Schiffe zu bringen. Dann gab er seiner Frau Kommandos das Boot zu steuern, die dabei eine Glanzleistung vollbrachte. Irgendwann hatte Martin unseren Katamaran mit seinem Dinghy soweit auf Seite gedrückt, dass die Ankerkette des Schweizer Bootes wieder neben der VAVA-U verlief. Dann wurde es für uns auf der Backbord-Seite nochmals etwas stressig! Felix, Markus und ich (jeweils mit Fender bestückt) hatten uns nun an der anderen Schiffseite in Position gebracht, denn während dem Ankerlichten vom Nachbarkatamaran kam dieser immer auf uns zu und musste auf Abstand gebracht werden. Irgendwann war es Martin gelungen seine Kette zu lösen um den Anker anzuheben und dann mit voller Fahrt die Bucht zu verlassen. Sie suchten sich wohl einen anderen Platz zum Verweilen. Da standen wir drei nun mit unseren Fendern in der Hand auf dem Deck der VAVA-U und konnten ganz schön stolz auf uns sein „unserem Martin“ ein unbeschädigtes Boot übergeben zu können, wenn er von seinem Ausflug mit Chris zurückkehren würde. Markus, der eigentlich Kaffee trinken wollte – Felix, dessen Musik noch in der Koje lief – und meine Wenigkeit, die eigentlich der Ruhe lauschen wollte.

Als eine dreiviertel Stunde später Martin und Chris zurück an Bord der VAVA-U waren, legten wir erst einmal Bericht zur „Rettungsaktion“ ab und informierten die beiden über unseren Vormittag. Chris strahlte über das ganze Gesicht und erzählte von Haien, Meeresschildkröten und eleganten schwarzen Fischen in 20m Meerestiefe. Er hatte 3 von 13 heimischen Haiarten gesichtet, wurde am Ende des Tauchgangs sogar noch von 5 Delphinen abgeholt, welche das Tauchboot bis in den Hafen begleiteten. Was für Gegensätze an diesem Morgen!

Nur wenig später brachte Martin dann Markus und Felix zu ihrem lang ersehnten Landgang-Ausflug, den sie bis 18 Uhr genießen konnten. Bevor die Dunkelheit die Bucht zurückeroberte, wollte Martin sie wieder einfangen. Was mich ganz besonders freute war, dass wir kurz vor Mittag noch Besuch von den Schweizern bekamen! Sie waren tatsächlich extra mit ihrem Dinghy gekommen, um sich bei Markus, Felix und mir für die klasse Aktion zu bedanken!

Wie sehr mich das freute!!! Iris und Martin segelten bereits seit 2013 mit ihrem Katamaran namens Kalea um die Welt und wollten uns unbedingt positives Feedback geben – das war ihnen sehr wichtig – was sie in meinen Augen gleich noch viel sympathischer machte! Ihr Dankeschön wollte ich am Abend ebenso herzlich an Markus und Felix weiterleiten wie ich es in Empfang genommen hatte. Eine Weile plauderten wir mit ihnen, tauschten unsere Reiseblog-Seiten aus und wünschten uns dann im Anschluss alle eine sichere Weiterreise! Damit hatte ich nicht nur eine erfolgreiche Bootabsicherung an diesem Morgen erlebt, sondern auch zwei sehr tolle Menschen kennengelernt! Ab 12Uhr holte ich mir dann die Ruhe ab, die ich mir für den Tag bestellt hatte! Martin entspannte in der Hängematte, Chris schnitt sein Tauchvideo und ich bastelte entspannt am Südsee-Fotoalbum und das alles im perfekten schwimmenden Outdoor-Café.

Um 15Uhr fuhren Martin, Chris und ich mit dem Dinghy auf Erkundungsfahrt in die benachbarte Bucht und vor die Küste des Hotels Hilton, da wir am kommenden Tag unseren Ankerplatz verändern wollten. Jeden Mittwoch Abend gab es in diesem Hotel eine Tanzshow, die wir uns gerne gemeinsam ansehen wollten. Das Boot ganz in der Nähe abzustellen war demnach hilfreich. Mit zwei Ideen im Gepäck kehrten wir zur VAVA-U zurück und genossen erneut die Aussicht auf das Außenriff bis Martin um 18Uhr Felix und Markus vom Landgang abholte.

Die beiden hatten einen großartigen Tag an Land! Sie hatten die Tropical Gardens besucht, Honig gekauft und verschiedenste exotische Köstlichkeiten probiert. Im Anschluss daran schienen sie einen sehr entspannten Aufenthalt im Hilton Hotel gehabt zu haben. Als sie wieder bei uns an Bord waren, richtete ich ihnen sofort die Grüße der Schweizer Segler aus, was die beiden ebenso sehr freute wie mich.

Hungrig vom Südsee-Tag legten wir einen zünftigen bayrischen Abend ein und tischten Fleischküchlie, Kraut- und Kartoffelsalat zum Panama-Bier auf. Nach 10 Monaten auf Reisen war dies für Chris und mich das allererste Mal fränkische Hausmannskost! Mahlzeit!